Nach langen Wanderungen und Wirren hatten nach dem Zweiten Weltkrieg viele evangelische
Flüchtlinge eine neue Heimat in Iffezheim, Hügelsheim, Ottersdorf und Wintersdorf gefunden.
Quasi im geographischen Mittelpunkt der jungen evangelischen Kirchengemeinde sollten sie eine neue geistige Heimat finden. Am 07. März 1965 wurde die evangelische Kirche in der Iffezheimer
Tullastraße feierlich eingeweiht.
In drei Phasen mischten sich im 20. Jahrhundert Zugereiste, „Fremde“ in das über Jahrhunderte fest geformte Sozialgefüge Iffezheims, in dem bei der Wahl des Ehegatten häufig die Maxime galt :
„damit 's Sach z'somme bliebt“. Die ersten kamen nach dem ersten Weltkrieg aus dem Elsaß nach Iffezheim, weitere blieben nachdem Westwallbau in der Renngemeinde, die meisten jedoch kamen nach dem
zweiten Weltkrieg aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Iffezheim und in die Nachbargemeinden Hügelsheim, Ottersdorf und Wintersdorf.
Als Bürger ehemals preußischer Provinzen waren sie in der Mehrzahl evangelische Christen und somit wahre Exoten im katholisch geprägten Mittelbaden. Die evangelischen Gläubigen schlossen sich in der „Evangelischen Kirchengemeinde Wintersdorf“, einer Filialgemeinde der Michaelspfarrei Rastatt, zusammen, wie Berichten des Archivs von Josef Reinartz zu entnehmen ist. Bürgersäle und überfüllte Schulräume dienten als provisorische Räumlichkeiten für die Gottesdienste.
1961, während seines Wahlkampf um das Bürgermeisteramt, hatte das spätere langjährige CDU - Ortsoberhaupt Albin König den über 230 Evangelischen Iffezheims eine Kirche versprochen. Die
Gelegenheit seine Vision in die Tat umzusetzen, bekam König gleich zu Beginn seiner ersten Amtszeit.
Im Dezember 1962 wurde noch in einer öffentlichen Versammlung der CDU-Gemeinderatsfraktion ein Standort in der Kapellenstraße, neben der dortigen Bäckerei, ins Spiel gebracht. Letztendlich
schenkte 1963 die politische Gemeinde der evangelischen Kirchengemeinde den Kirchenbauplatz Tullastraße 9 für die künftige Heimat der Gläubigen.
Am Palmsonntag 1964 wurde ein Granitblock aus dem Murgtal als Grundstein der ersten
evangelischen Diasporakirche gelegt. Der Regen konnte die Freude der Ostpreußen, Pommern, Schlesier und Brandenburger nicht trüben, die nach langen Wanderungen und Wirren eine neue Heimat in
Iffezheim, Hügelsheim, Ottersdorf und Wintersdorf gefunden hatten, wie es in der Urkunde heißt, die in einer Kupferkassette unter den Stein gelegt wurde.
Der junge Forchheimer Architekt Gerhard Stahl hatte den modernen Baukörper mit glockenförmigen Grundriß für den Kirchenraum mit daran anschließendem Versammlungsraum entworfen. Die Iffezheimer
Baufirma Lothar Merkel hatte den Bau bereits energisch soweit vorangetrieben, daß das in den Himmel ragende Mauerwerk den Gottesdienstbesuchern einen Eindruck ihrer künftigen Heimstatt gab.
Noch heute schwärmt Gerda Kaschinski mit leuchtenden Augen von der harmonischen
Gemeinschaft der damaligen Kirchenmitglieder. Die Rentner, aber auch die noch im Arbeitsleben stehenden Männer, seien von Pfarrer Helmut Diekmann so motiviert worden, daß sie in ihrer Freizeit
auf der Baustelle gestanden seien und ihr Mögliches zum Bau ihrer Kirche beigetragen hätten. Die Konfirmanden seien durch die Dörfer gelaufen und hätten Bausteine zu einer, zwei oder 5 D-Mark zur
Finanzierung von Orgel und Glocke verkauft. Viele, viele Katholiken hätten so für den Bau der evangelischen Kirche gespendet, berichtet ihre Tochter Bärbel Groll.
Das gute Verhältnis der beiden Religionsgemeinschaften wurde durch eine Spende der katholischen Pfarrgemeinde untermauert, die 2 000 D-Mark für das Kirchenfenster des Künstlers Jürgen Brodwolf stiftete. Der Weg der Flüchtlingsgemeinde bis hierher und der Weg der Gemeinde am Ort der neuen Heimat hinein in eine ungewisse Zukunft, könne sich in dem Motiv des Weges, der göttlichen Führung und des menschlichen Vertrauens wiederfinden, hatte Brodwolf seine Leitgedanken zum Fenster aus Psalm 37 zusammengefaßt.
Am 20. Juni 1964 wurde Richtfest gefeiert. Der Maien zierte das Dachgebälk und die Gläubigen der jungen Gemeinde erhoben ihre Stimmen zum Lobe des Herrn. An jenem Freitag wurde in Karlsruhe auch
die Glocke für die Kirche gegossen, welche als Inschrift den Vers aus Psalm 100 „Lobet den Herrn mit Freuden“ ziert.
Am 07. März 1965 erfüllte sich schließlich der Traum der etwa 500 Protestanten: Unter den Klängen des Musikvereins Wintersdorf zogen die Gemeindemitglieder und Honoratioren des Ortes um halb Drei
in einer Prozession von den provisorischen Räumen in der heutigen Grundschule in die Tullastraße. Dort wurde ihre neue geistige Heimat in einem feierlichen Gottesdienst von Oberkirchenrat Ernst
Hammann eingeweiht. Weil die Orgel noch fehlte, wurden die Choräle auf einem geliehenen Harmonium begleitet. Ende März wurden die ersten 15 Konfirmanden im neuen Gotteshaus in die Kirchengemeinde
aufgenommen. Durch die zahlreichen Spenden konnte eine richtige Orgel auf die Empore gesetzt werden, die am 29.10.1967 eingeweiht wurde.
Palmsonntag, den 29. März, wird 2015 der Fertigstellung des Gotteshauses vor 50 Jahren mit einem Festgottesdienst gedacht.
Wir danken Frau Kaschinsky für die zur Verfügung gestellten Bilder sowie Matthias Greß für den Text.